Stelle dir eine fast flache, leicht wellige Landschaft vor, in der sich einige wenige von Gras bewachsene Hügelchen erheben. Diese Landschaft umgibt dich soweit das Auge reicht. Du scheinst auf ewig in dieser unglaublich weiten Ebene gefangen zu sein, über die sich ein ebenso weiter wie tiefer Himmel spannt, der je nach Wetter strahlend blau bis grau verhangen daher kommt. Dieser Himmel wirkt wie eine mächtige Käseglocke und da der Horizont soweit herausgeschoben erscheint und das Auge keine wirkliche Begrenzung findet, ist das Gefühl, was einen beschleicht, ein sehr gemischtes. Man empfindet auf der einen Seite eine unglaubliche Freiheit, aber auf der anderen Seite auch eine Form der Beklemmung, des Verlorenseins, das einem schon eine gewisse Angst machen kann und einem darob die Ehrfurcht vor Gottes gewaltiger Schöpfung lehrt und gewissermaßen überstülpt. Hinzu kommt das Klima, das jetzt, im Juli, ein heißes, trockenes und sehr staubiges ist. Die Sonne brennt mit einer ungewohnten Hitze auf der Haut und die Intensivität ihrer Strahlen ermüdet. Begriffe wie „endless long highways“ oder „far west“ ergeben plötzlich einen völlig anderen Sinn, das, was man bisher in Büchern und Filmen über dieses Land erfahren hat, verschwindet fast völlig unter dem Eindruck, den die Realität, die Unmittelbarkeit der Natur hier ausübt. Alle uns Europäern bekannten geographischen und emotionalen Begriffe relativieren sich, alles ist hier irgendwie größer, weiter, eindrucksvoller. Und - alles atmet hier Geschichte. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschwimmen zu einer nicht näher erklärbaren Stimmung, die sich auf die Seele senkt, wenn man unter diesem endlosen Himmel fährt oder geht.
Wir waren am Vormittag weitergefahren.
Zunächst führte uns unser Navi vom Highway runter mitten in die
Pampa, wie wir zuhause gerne sagen. Auf zerfurchten, ausgewaschenen
Feldwegen ging es querfeldein mitten durch die Prairie und das
Grasland. Ein wenig erinnerten mich diese Feldwege an die, die man in
dem Film „Walk The Line“ über das Leben von Johnny Cash sehen
kann. Es handelte sich um die Lower Des Lac Area, die wir
durchquerten, bis wir auf den Freeway 8 kamen. Diesem folgten wir
über Stanley bis New Town. Von hier fuhren wir den Freeway 23 durch
den Four Bears Memorial Park über Keene bis Watford City. Ab hier
ging es auf dem Highway 85 immer weiter gen Süden. Wir passierten
den nördlichen Theodore Roosevelt Nationalpark, streiften am Rande
die North Dakota Badlands und das Little Missouri National Grassland,
durchfuhren die Ortschaften Grassy Butte, Fairfield, Belfield, wo wir
eine Rast einlegten, und Amidon, bis wir schließlich hinter Bowman
die Grenze zu South Dakota überschritten. In Bowman waren wir an der Tankstelle mit bayrischer Blasmusik empfangen worden, was schon ein wenig seltsam anmutete, da diese Musik aus dem Autoradio eines alten roten Ford Mustang Cabriolets drang, dessen Fahrer wohl wieder mal so ein einheimisches Original mit Cowboyhut und dicken Schnauzbart war.
Diesen Adler fand ich in Watford City, ND |
Alaska-Nummernschild - Hier sehr selten! Musste ich knipsen! :-) |
Der neue Bundesstaat empfing uns mit
Regensturm und Gewitter, die Prärie war verhangen und gräulich. Düster und im wahrsten Sinne des Wortes 'schwarz' erhoben sich am Horizont schon die ersten Ausläufer der Black Hills, den "paha sapa", wie die Lakota-Sioux diese Berge genannt hatten. Also
ob das ein böses Omen gewesen wäre, ereilte uns, nach dem wir dem
Highway 85 über Buffalo, Redig und Belle Fourche gefolgt waren, kurz
hinter dem Örtchen Spearfish, kaum dass wir auf die Interstate 90
aufgefahren waren, das nächste Missgeschick. Wir hatten in Spearfish
nochmal eine kurze Rast eingelegt und waren wieder auf die Interstate
aufgefahren, als die Motorautomatik den Wagen abschaltete. Wir
rollten auf dem Seitenstreifen aus und sahen verdutzt in den
Motorraum. Was nun? Alles schien soweit in Ordnung, der Wagen qualmte
nicht, war also nicht überhitzt, der Keilriemen saß fest und die
Batterie schien auch in Ordnung zu sein. Eine Ölstandsprüfung
ergab, dass die Ölstandsanzeige bei Minimal stand, es konnte also
eventuell der Öldruck sein. Wir hatten den Wagen von der Interstate
runter in eine Abfahrt gerollt. Mehrere Autos hielten an, um Hilfe
anzubieten. Ein Paar gab uns die Telefonnummer eines
Abschleppdienstes. Ein paar Jungs in einem weißen Pick-up nahmen
Totti dann mit zurück nach Spearfish, um Öl zu holen. Währenddessen
hatte wohl jemand die Polzei verständigt, denn ein Deputy-Sheriff
des Countys hielt hinter uns und fragte, was los sei. Er war sehr
freundlich, wir erklärten ihm die Situation, da kam Totti bereits
zurück. Nach einem kurzen Wortwechsel füllten wir Öl nach, dann
lief das Auto wieder problemlos … dachten wir. Wir kamen nur bis
kurz über Sturgis hinaus. Dann muckte der Wagen wieder. Diesmal war
es nicht das Öl. Wir versuchten den Luftfilter zu kontrollieren,
waren aber nicht in der Lage, die Abdeckung zu öffnen. Vielleicht war der Dodge schlicht und ergreifend ein wenig überlastet, immerhin hatte er in den letzten beiden Tagen über tausend Kilometer gefressen und war jeweils über acht Stunden unterwegs gewesen. Das kann schon mal bei einem sechzehn Jahre alten Auto zum Problem werden. Doch auch das darf man nicht mit europäischen Maßstäben messen, denn man darf hier in den Staaten maximal 110 km/h fahren, auch auf den Autobahnen und die Autos hier sind Sechszylinder und mehr. Wenn die bei 110 km/h ihre zwei- bis dreitausend Umdrehungen haben, ist das ja fast nichts ...
Man stelle sich das jetzt also einmal
vor: Wir standen mit einer Autopanne an der Interstate 90 kurz hinter
Sturgis mitten in den Black Hills, genauer gesagt, dem Black Hills
National Forest, und wussten erst einmal nicht weiter. Wir schafften
den Wagen Stück für Stück die nächste Abfahrt runter, wo uns ein
Schild den Weg zum Rush-No-More RV Park & Campground wies, wohin
wir den Wagen mit Ach und Krach hinbekamen. Dort nahmen wir erst
einmal ein Cabin, denn es war Samstagabend und unser ursprünglich
für diesen Tag geplantes Ziel Rapid City, SD, würden wir wohl so
nicht mehr erreichen. Da der Sonntagsnotdienst in den USA teurer ist,
als die Miete für zwei Nächte, beschlossen wir, bis Montagmorgen
dort zu bleiben, um dann in der nächsten Ortschaft einen Repair
Service aufzusuchen.
Der dritte Tag, also der heutige
Sonntag, wurde so unfreiwillig zu einem Ruhetag, den wir ausgiebig in
dieser doch landschaftlich sehr reizvollen Gegend nutzten, in dem wir
uns hier in den Pool und Whirlpool legten, uns Ruhe gönnten und ein
gutes Budweiser mit Hot Dogs und Pizza genehmigten. Ein Freund gab mir den nicht ganz ernstgemeinten Rat via What'sApp, ich solle Turnschuhe tragen und wenn ich einem Bären begegne, schleunigst wegrennen und mich gefälligst nicht hinlegen. Ja, der hat gut lachen ...
Ob wir die geplante Reise unter diesen
Bedingungen überhaupt fortsetzen können? Also, dranbleiben, Leute,
es bleibt spannend. Denn dies sind die Abenteuer des Dicken in
Amerika!
2 Kommentare:
SCHÖNE SEITE, das solltest du als Buch heraus bringen......viel Glück und Spaß weiterhin !!!
Die Fotos von den BLAUEN BERGEN sind toll, die anderen auch 1!!
Liebe Grüße, Tatjana
Da muss ich Tatjana Recht geben. Auch ich bin begeistert von den schönen Fotos und dem gefälligen Schreibstil. Auch von mir weiterhin gute Reise und viele Abenteuer.
Liebe Grüße auch an Totti und Familie
von Tanteomaingrid
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